Alles im Leben ändert sich ständig, und doch wiederholt sich vieles, anscheinend. Denn die Wiederholungen sind dynamisch, laufen nicht exakt im Kreis, sondern mit ein bisschen Unterschied. Das macht aus dem Kreis eine Spirale, und aus öder Routine wird so Evolution. An mir liegt es - nicht nur, aber auch - wieviel Abstand zwischen den Umdrehungen der Spirale liegt, wie schnell oder wie langsam mein Leben sich entwickelt.
Über Jahre versuchte ich mich zu finden indem ich andere nachmachte.
Ich konnte nicht aus meinem Inneren entscheiden was zu tun wäre.
Unfähig zu schauen hörte ich wie mein Namen gerufen wurde
und folgte dann dem Ruf nach draußen.
Jelal'uddin Rumi
Das Universum ist parteiisch - pro Leben - es begünstigt Entwicklung, meine und die aller anderen. Es ist ein Angebot das ich aufgreifen kann, keine Garantie. Und ja, es kann weh tun, unbequem sein... Es geht schließlich um unser aller Entwicklung, nicht mein oder dein persönliches Wohlfühlen auf Kosten anderer. Dann knirscht's, notgedrungen, denn wenn mein Tun nicht dem Wohle aller dient, muss irgendwo Reibung entstehen.
Wenn's also knirscht ist es für mich ein Zeichen dass es Korrektur meinerseits braucht, mehr Allgemeinwohl. Das mag bedeuten jemand anders in seine Schranken verweisen zu müssen, denn schließlich bin Teil der Allgemeinheit und deshalb Teil von ihrem Wohl oder Unwohl. Es mag aber auch bedeuten mich mehr zurückzunehmen. Was ist richtig? Schwierig vorwegzunehmen. ich komme um Versuch und Irrtum nicht herum. Erst das Ergebnis wird's zeigen, durch vermmehrtes oder vermindertes Knirschen.
Seit Seit wir uns begegnet sind ist ein Spiel im Gange.
Im Geheimen mache ich einen Zug und du erwiderst.
Du bist am gewinnen und denkst es sei lustig.
Doch blicke jetzt vom Brett auf und schaue wie ich unsichtbare Möbel
an diesen Ort gebracht habe damit wir hier leben können.
Jelal'uddin Rumi
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Immer wenn sich was bewegt, wie das Leben, knirscht es hin und wieder. Weil ich will das es sich weiter bewegt, probiere ich Schmierung, Reperatur, Erneuerung und wenn das alles nicht reicht, was ganz Neues. Weil ich leben will, bin ich gegen knirschen, zumindest dafür es zu minimieren, es weniger zu machen. Im Laufe meines Leben habe ich gelernt mich am Knirschen zu orientieren, seinen jeweiligen Empfehlungswert zu ergründen und dann das was ich vorhatte zu forcieren oder zu lassen. Er war nicht einfach, aber es ist das Verlässlichste was ich gefunden habe.
Wie kann es sein, dass Knirschen so verlässliche Orientierung bietet wenn es um mein Wohl geht? Die verlässlichste? Egal, ich habe mich erstmal nur gefreut eine verlässliche Methode gefunden zu haben, lang genug hatte es ja gedauert. Das mein Wohl und das Wohl aller so deckungsgleich sind habe ich erst später gemerkt. Ab dann hab' ich mich gefragt wieso das funktioniert, wie sich das erklären lässt Es hat dann nochmal lange gedauert, bis ich mir auch das eingestehen konnte. Die einzig mögliche Erklärung ist dass mit dem Knirschen ein Plan verfolgt wird, dass ein System dahinter steckt.
Und dieser Plan muss das Gegenteil von dem hier sein:
Zugegeben, auch ein lebensfeindliche Plan lässt sich anhand von (ständig zunehmendem) Knirschen ausloten. Aber es ist nicht mein Ding. Und obwohl es eine ganze Menge Leute gibt die so unterwegs sind, haben wir uns entwickelt. Weg von solcher Barbarei, in kleinen Schritten, zwei vor und einen zurück, aber definitiv weg davon, ein paar mehr Schritte nach vorn wie zurück.
Den Plan finde ich gut, insbesondere weil ich keinen besseren habe noch kenne. Sein Umsetzung, unsere Evolution, spricht so laut dafür dass ich rein akustisch nicht verstehen kann wenn jemand etwas dagegen sagt.
Dann habe ich mir die nächste überfällige Frage gestellt: Was kann ich tun um diesen Plan zu unterstützen? Ich könnte die hören (und verstehen), deren Leben an einem Punkt steht an dem sie diesen Plan nicht erkennen können, daher vom Knirschen desorientiert werden, und es mit allem was sie haben zu vermeiden trachten. Es wird von wegschauen schlimmer, langsam aber sicher. Ich könnte sie anhören ohne ihre Meinung zu teilen, das Glas gegen ihre Gewohnheit weiterhin halb voll sehen. Nicht so einfach.
Denn das ist vielleicht der einzige Unterschied der die Evolution ausmacht, das Glas weiterhin als halb voll sehen.
Der Mensch kann nur Gutes tun wenn Gutes von ihm erwartet wird.
Das Universum erwartet genau das von mir, Gutes zu tun, und überlässt dann die Umsetzung mir und meinem freien Willen. Ich darf, aber muss nicht. Und egal wieviel Mist ich baue, wie sehr ich das Wohl aller mit Füßen trete, das Universum erwartet weiterhin unbeirrt von mir dass ich Gutes tue. Kann ich das auch?
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Wenn ich das Universum unterstützen möchten, seien Plan, aus dem Blickwinkel desjenigen der in Knirschen den Empfehlungswert zu erkennen vermag, dann braucht es (m)eine Kraft, um von mir und allen anderen weiterhin, auch im Angesicht der größten Irrtümer, zu erwarten dass wir Gutes tun.
Lauf weiter obwohl es keinen Ort zum Ankommen gibt.
Versuche nicht die Strecke zu durchschauen.
Das ist nichts für Menschen. Bewege dich innerlich,
aber bewege dich nicht so wie die Angst dich bewegt.
Jelal'uddin Rumi
Was mich triggert mein Wohl über das Wohl aller zu stellen ist immer irgendeine Art von Angst. Und das sehe ich bei anderen genauso. Egal welche Verkleidung die Angst angelegt hat, darunter steckt letzendlich meine Angst vor dem Tod, dem Aufhören meiner Existenz.
Das Universum ist nicht nur wohwollend, es ist auch schlau, weiß genau was meine größte Angst ist, und dass ich nicht wirklich merken kann was es von mir erwartet solange ich diese Angst habe. Also legt es mir Erfahrungenmöglichkeiten auf den Lebensweg, die nahelegen dass ich diese Angst nicht haben muss, aber darf.
In meinem Fall war es eine außerkörperliche Erfahrung. Ich habe einen kleine Weile außerhalb meines Körpers existiert, also weiß ich jetzt dass es geht. Ich hab's ja er- und überlebt.
Ehrlich gesagt habe ich viele Jahre so getan als hätte ich es nicht erlebt, habe weiterhin so viel Angst gehabt wie ich brauchte um das Wohl aller hinten anzustellen.
Ich stehe auf, und dieses Eine das ich bin
verwandelt sich in hunderte die ich bin.
Sie sagen dass ich um dich kreise.
Unsinn, ich kreise um mich.
Jelal'uddin Rumi
Auch diese Gewohnheit, mein Georg-zentriertes Weltbild, wusste das Universum erfolgreich aufzuweichen.
Es legte mir eine pädagogisch durchdachte Spur leckerer Köder denen ich nicht wiederstehen konnte, jedenfalls nicht auf Dauer.
Mit Speck fängt man Mäuse, mit Spitzenerlebnissen fängt man Menschen, jedenfalls mich. Was für den einen ein Spitzenerlebnis ist, lässt andere gähnen vor Langeweile. Das Universum ist da schmerzfrei und legt gleichmütig das aus worauf ich abfahre, ohne weitere Fragen zu stellen. Es ist zielorientiert, ich soll den Köder schlucken und mögen, Punkt. Das hat ziemlich gut geklappt.
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Ganz allmählich und für mich unmerklich fand eine Verschiebung statt. Anfangs kamen die Spitzenerlebnisse unter Ausschluß der Öffentlichkeit, nur für mich, ohne Fremdbeteiligung.
Dann kamen allmählich andere ins Spiel, leider.
Weil Spitzenerlebnisse progressive Geschmackserweiterungen sind, weil bereits Gehabtes meinen Gaumen beim zweiten Mal weniger kitzelt als beim ersten, muss immer wieder was Neues dazu kommen. Und das waren eben andere, nichs zu machen.
Auch hier war der Plan schließlich nicht mehr zu übersehen. Zu ausgeklügelt war die Köderfolge, zu pädagogisch individualisert, und zu systematisch wich das Ergebnis von dem ab was ich zuvor auf dem Schirm gehabt hatte. Von alleine wäre ich da nie drauf gekommen.
Und... die neuen köderbasierenden Sachen auf meinem Schirm waren definitv eine Verbesserung, eine deutliche. Also wer ist der Planer, der Angler der den Köder bestückt?
Eines Tages wirst du mich vollständig aus mir herausnehmen.
Ich werde tun was die Engel nicht tun können.
Deine Wimper wird auf meiner Wange dieses Gedicht schreiben
an das noch nie gedacht wurde.
Jelal'uddin Rumi
Das dickste Ding welches ich nicht auf dem Schirm gehabt hatte, das Gedicht "an das noch nie gedacht wurde", das war ich selber. Besser gesagt, es waren die Seiten von mir die ich bisher nicht hatte sehen wollen.
Jetzt waren sie auf meinem Schirm, als Spätfolge meiner neuen Angewohnheit von mir und anderen Gutes zu erwarten, selbst im Angesicht offensichtlicher Fehlleistungen. Zu sagen ich wäre nachsichtiger geworden trifft es nicht. Im Gegenteil, ich bin unnachgiebig geworden.
Wie das Universum vergesse ich Fehlleistungen erst wenn sich die/der Betreffende geändert hat (mich eingeschloßen). Und trotzdem bleibt meine Tür offen für den/die mit der Fehlleistung - einschließlich mir selbst. Wir machen alle Fehler, und das immer wieder. Statt mir und anderen das vorzuhalten könnte ich, jetzt wo ich sie so gut sehe, doch aufhören sie zu wiederholen,
Anders ausgedrückt, mein Verständnis von Eigenverantwortung hat sich geändert. Und das liegt am Potential des Menschen, das Ebenbild Gottes zu werden. Sie, diese innere Stärke, ist innen einfacher wahrzunehmen wie außen. Meist überspült von den Anforderungen des Lebens, blitzt sie doch gelegentlich durch. Hier so ein typischer Moment einer im Selbstgespräch durchblitzender inneren Wahrheit:
Kann das jemand anders für dich machen? - Nein.
Wieso erwartest du von dir dass du es für jemand anders machen kannst? - Ähhhh..
Worum geht es wirklich wenn du meckerst? - Ähhhh..
Wer ist für DEINE Laune verantwortlich? - Wer, iiiich?
Ja, du!
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Meine Schwächen, einmal ans Licht gebracht, können zu meinen Stärken werden. Falls das geschieht entsteht wahre Stärke in kleinen Schritten.
Unsere tiefste Angst ist nicht, dass wir ungenügend sind.
Unsere tiefste Angst ist, dass wir unermesslich stark sind.
Nelson Mandela
Meine Schöpfungsmitverantwortung plagt mich in dem Ausmaß wie ich das unermesslich Starke in mir und anderen sehen kann. Dann funktioniert es nicht mehr mich/uns mit Opferhaltung heraus reden, und mit Größenwahn sowieso nicht.
Statt wie bisher an der mangelhaften Umsetzung des Schöpfungsplan im Allgemeinen (alles Scheiße) und im Besonderen (warum ich?) herum meckern zu können, verlangt jetzt mein Gewissen von mir, abzuklopfen was ich an dem mich Störenden selbst ändern kann - und es dann auch zu tun! Das ist viel, eine Vollbeschäftigung, auch wenn das meiste davon Kleinigkeiten sind, die niemand anders bemerkt.
Wie dem auch sei, damit erwerbe ich mir nicht nur die praktische Kompetenz geboren aus täglichem Tun, sondern auch Nachsicht mit mir selbst und anderen. Der Tag hat 24h, ich selber zwei Arme und einen Kopf, und ich bin nicht für alles zuständig, noch bist du es.
Arbeitsteilung ist sinnvoll, versuchen meine Kompetenz über meine Arbeitsanteile hinaus zu erweitern oft nicht. Der Teufel steckt im Detail, und Details kann ich nur erkennen wenn ich daran arbeite, immer wieder.
Und das führt auch dazu, der tatsächlichen Kompetenz von anderen in ihren jeweiligen Arbeitbereichen zu trauen, und meiner eingebildeten fremd-Kompetenz in ihren jeweiligen Arbeitsbereiche nicht. Ich kann dann z.B. dem Drang widerstehen einer von 10 Millionen Nationaltrainern zu werden, wenn ein Fußball Länderspiel im Fernsehen läuft. So bleibt das Glas zwangsläufig halb voll.
Licht an die dunklen Stellen im mir zu bringen geht erst wenn ich mich mag, samt dem was ich als meine Fehler oder Schwächen vor anderen und mir vergeblich zu verbergen suchte. Therapeuten sagen dazu Schattenarbeit, in religiösen Kreisen wird es die "lange dunkle Nacht der Seele" genannt, und weniger pompös kehren vor der eigenen Tür. Weil es keine potentielle Schwäche gibt, die ich nicht habe, gibt es auch keine potentielle Stärke die ich nicht habe.
Auch wohwollende Beschäftigung mit meinen dunklen Seiten ist eine Drehung um mich selbst, auf die Dauer entsprechend langweilig, wenn nichts anderes dazu kommt, wenn meine Scheuklappen nicht weiter aufgehen irgendwann ungesund.
Was dazu kam waren Liebesbeweise des Unversums. Wenn ich auch nur den kleinsten Schritt gemacht habe, einen der unwiderstehlichen Köder gefressen, kam es mir viele Schritte entgegen. Es ist zum Weinen, aus Freude, aus Scham über das unglaubliche Entgegenkommen, immer und immer wieder. Danke.
Komik und Tragik liegen im Kleinen und im Großen so dicht beieinander wie die beiden Seiten der gleichen Münze. Welche der beiden ich fütterte bestimmte mein Weltbild. Das tut es immer noch, nur jetzt kann ich es mir aussuchen. Und ja, herzlich Lachen hilft. Dazu ein gewagter Versuch: Der Unterschied zwischen meinen Beziehungsscharmützeln und dem Ukrainekrieg ist,neben dem Grad der Angst, die Anzahl der Beteiligten, eine ganz andere Gewichtsklasse.
Können sie darin auch die komische Seite sehen? Zugegeben, es geht gegen unsere Voreinstellungen, gegen unsere Vorlieben für tragische Dramatik und für konzentriertes Übersehen eigener Schwachpunkte. Ein bisschen kichern vielleicht? Wenigstens heimlich?
Wiederstand ist zwecklos.
Sie werden assimiliert.
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