Schatzsuche unter Anleitung - die andere Seite der Münze

Die Schatzsuche angelehnt an Indiana Jones hatte zwar viel Spaß gemacht, war aber ohne Aussicht auf Erfolg, leider. Es hatte einen Lehrer gebraucht, meinen lieben spirituellen Ziehvater Ed, um mich dafür zu sensibilisieren. Doch hatte ich Kalifornien und Ed verlassen müssen, weil dringende Familienangelegenheiten mich zurück nach Deutschland führten. So dringend wie sie waren ließen sie mir trotzdem Zeit für mich. Ich laß wie ein Weltmeister, so viel Inspiration, so viele Ideen. Indiana Jones war immer noch aktiv, meine Abenteuerlust ungebrochen, hatte sich jedoch mittlerweile nach Innen gerichtet.

Die Reise durch die Bücher brachte neben viel weiterführender Information auch viel verwirrende oder zumindest ablenkende. Ed ließ sich nicht durch Bücher ersetzten, ich hätte seine Führung gut gebrauchen können. Wir schrieben uns Briefe, einmal im Monat vielleicht, und seine waren jedesmal ein Highlight. Aber Kalifornien war weit weg und mein Hunger unersättlich. Ein neuer Lehrer musste her.

Es dauerte etwas mehr als ein Jahr, dann traf ich ihn im Flieger nach Mexico. Ich war mit Henry, Rosa und Jerardo verabredet und wollte von dort meine unterbrochene Reise weiterführen, ohne zu wissen wohin sie gehen würde. Es gab keinen Plan, nur mein Vertrauen. Das Universum hatte es gut mit mir gemeint, mir Tapferem hatte das Glück geholfen, und ich war sicher dass es so bleiben würde.


Spiegelneuronen im Alltag

Shantatmananda hieß er, mein zukünftiger Lehrer und war Yoga-& Meditationslehrer. Ich bringe dir gerne alles bei, was ich weiß, sagte er und reichte mir eine Visitenkarte. Komm' mich hier besuchen Einen Monat später war ich dort. Und er hielt Wort. Etwa ein Jahr lang teilte ich (in Cuernavaca) seinen Alltag und vieles was er tat färbte dadurch einfach auf mich ab. Ich kopierte ihn, und nicht nur das was man von außen sehen konnte. Ich schlief wenn er schlief, aß was und wenn er aß, meditierte wenn er meditierte, machte Yogaübungen wenn...

Er war Trainer für Yogis in spe, und in der Zeit mit ihm bekam ich solche Ausbildungmodule mehrfach mit. Wann immer sich im theoretischen Teil der Ausbildung in meinem Kopf ernsthafte Fragen ergaben und ich mich meldete um sie hervorzubringen, winkte er kurz ab, nur um wenig später die nicht laut gestellte Frage für alle zu beantworten. Das passierte nicht einmal, es war Routine. Es funktionierte auch in anderen Umständen. Mehrfach verhinderte er eine unbedachte Handlung von mir die unmittelbar bevorstand, indem er einfach seine Hand auf meinen Arm legte und eindringlich sagte "Nicht!". Die Erklärung kam dann später, wenn wir allein waren, ohne dass ich fragen brauchte, oft on Form einer Geschichte.

Diese telepathische Verbindung klappte in eine Richtung sehr viel besser als in die andere. Ich hatte zwar auch ein gutes Gefühl dafür was in ihm vorging, doch eher verschwommen. Ich hörte seine Fragen nicht so deutlich, konnte keine Antwort in klare zutreffende Worte formulieren. Es war keine Einbahnstraße, er nutze ja beide Richtungen, aber ich war eben Anfänger. Nennen wir es mal Resonanz. Ein wissenschaftliches Erklärungsmodell ist unter dem Begriff Spiegelneuronen zu finden, mehr Info auf wikipedia: Spiegelneuronexterner link.

Wie ich spanisch lernte

Eines schönen Tages gingen Shantatmananda, den ich Dada (älterer Bruder) nannte, und ich zu einem Vortrag den er halten sollte. Bei solchen Gelegenheiten musste jemand übersetzen, vom englischen ins spanische. Vielleicht war der geplante Übersetzter ausgefallen, auf jeden Fall sagte er auf halbem Weg zum Vortragsort zu mir: Heute übersetzt du. Ich spreche weniger als 20 Worte Spanisch und du mindestens 100, also wird du übersetzten müssen. Es ist niemand sonst da. Protestieren war zwecklos.

Ich hatte zuvor schon etwa 9 Monate in Mexico verbracht, aber fast immer in Gesellschaft von zweisprachigen Freunden. Mein Spanisch war in dem Stadium stecken geblieben, das man einem Reiseführer entnehmen kann. Gut, die Aussprache der Vokale ist wie im Deutschen, die Grammatik ist fast-identisch mit französich, und ich hatte Latein in der Schule. Aber was wirklich zählte - die Zuhörer waren extrem kooperativ und einige verstanden wohl deutlich mehr englisch als ich spanisch. Jedenfalls halfen sie mir wenn nötig mit einem leisen Wortvorschlag aus wann immer ich nicht weiter wusste. Es lief ganz gut, vielleicht besser als mit einer fließenden Übersetzung, denn alle Zuhörer arbeiteten konzentriert mit.

Damals habe ich es nicht verstanden, aber auf diese Kooperations-Bereitschaft hatte Dada wohl den entscheidenen Einfluss gehabt, wie immer ohne oder trotz Worte. Ähnlich wie bei dem Geschenk des Himmels (OP-Erlebnis) schrieb ich mir die gut gelaufen Übersetzung auf die eigene Fahne ohne die Quelle zu würdigen. Auch das merkte er und ich bekam eine Rüge dafür. Trotzdem wurde ich ab sofort zum Standardübersetzer. Wir gingen auf eine Vortragstour und hauptsächlich dadurch sprach ich nach 3 Monaten fließend Mexicano.

Ich höre mich sagen...

Nach vielleicht einem Jahr, wir waren mittlerweile in Guatemala City gelandet, ging mir langsam das Geld aus. Mein Freund Henry in San Francisco hatte immer einen Job für mich, also fuhr ich hin. Beim Abschied bat Dada mich, in Cuernavaca, ich würde ja dort vorbeikommen, nach einem geeigneten Haus für ein Yoga Zentrum Ausschau zu halten. Die Organisation hätte in Mexico nur gemietete Standorte, ein eigener Besitz wäre schön. Über die Finanzierung sagte er nichts. Auf der Hinreise weihte ich einen in Cuernavaca seßhaften Yogavertrauten in den Plan ein und bat ihn sich umzuschauen. Auf der Rückreise zeigte er mir ein geeignetes Haus und wir vereinbarten einen Besichtigungstermin.

Ich ging mit der Einstellung hin "Anschauen tut nicht weh, und dann schnellst möglichst höflich verabschieden". Denn die Finanzierung des Plans war nach wie vor ein Mysterium. Geld hatte Dada immer gerade soviel wie er zum Leben brauchte. Die Hauseigentümerin war sehr beeindruckend. Ich mochte sie sofort. Das Haus war eine Art Notverkauf. Es waren zwei Gebäude, jeweils 2 Stockwerke mit Innenhof, solide und gut durchdacht gebaut, so vertrauenserweckend wie ihre Besitzerin. Sie wollte eine Gebäude verkaufen und mit ihrer Mutter im anderen leben. In meinen Augen war alles perfekt, bis auf die Finanzierung.

Ich war gedanklich schon auf die Straße entkommen und bei ihrer konkreten Frage Welches der beiden Gebäude möchtest du denn kaufen? mit den dafür geeigneten Fluchtstrategien beschäftigt. Zu meiner eigenen Überraschung hörte ich mich laut und deulich und bestimmt sagen: Beide! Ich möchte beide Gebäude kaufen. Was sollen sie denn kosten?

Während die Eigentümerin überlegte, schrie ich mich innerlich entsetzt selber an: Das war ich nicht! Ich wollte 'was ganz anderes sagen, und dann einfach nur schnell weg. Trotz meines innerlichen Entsetzens hatte ich keine Schweißausbrüche. Ich war irgendwie unerklärlich fest und gefasst. O.k., sagte ich mir dann, das war ich nicht, also ist es auch nicht mein Problem. Wer immer das gesagt hat, der darf jetzt auch die Suppe auslöffeln. Ich helfe gern dabei. Die Überlegungen der Eigentümerin waren bei 22.000 U$ angelangt. Ich war einverstanden und mit mir als erstauntestem aller Zuhörer schlug ich in den nächsten Minuten einen konkreten Zahlungsplan für das kommende Jahr vor, mit Stichtagen für Anzahlung und darauf folgende Raten. Diesen Plan habe ich einhalten können.

Wer meiner Stimme die Worte eingegeben hatte war mir klar. Es war der Lehrer meines Lehrers gewesen, der Gründer der Yoga Organisation, auf den sich mein Lehrer jeden Tag mehrfach mit "Baba" (Papa) bezog und dem er alles verdankte. Wie dem auch sei, in diesem Jahr wurden alle Ampeln grün sobald ich mich näherte, und nicht nur die Verkehrsampeln. Am Tag der letzten Rate hörte das schlafartig auf, und die Ampeln in allen Bereichen des Lebens waren wieder mal grün, mal rot. Kein Zweifel, ich würde als nächstes den Lehrer meines Lehrer besuchen müssen. Das war keine Option, es war (m)ein Mandat.

Mein Schädeldach hebt ab

Auf nicht ganz direktem Wege kam ich dann nach einigen Monaten in Kalkutta an. Es war mein erster Tag dort, und die einzige Gelegenheit Baba zu sehen war nachmittags um vier, wenn er das Haus mit dem Auto für seinen täglichen Spaziergang verlassen würde. Mit vielleicht 200 anderen warteten wir auf diese kurze Gelegenheit. Die Garage war ins Haus intergriert und besaß ein kleines Fensterloch in Kopfhöhe. Ich hatte einen Platz mit direktem Blick darauf ergattert, und genau da kam Baba vorbei. Ich sah nur seinen Kopf von der Seite, durch das Loch wie in einem Bilderrahmen, als er von innen daran vorbei ging.

In diesem Augenblick fühlte ich mich als sei mein Schädeldach weggeflogen. Es gab oberhalb meiner Ohren kein begrenzende Gefühl mehr, es herrschte ein fließenden Übergang von mir in die unendlichen Weiten des Weltraums. Ich war immer noch zu 100% in meinem Körper, aber er hörte nicht mehr mit der Schädeldecke auf. Baba stieg ins Auto das sofort losfuhr, und ich blieb mit diesem langsam abklingenden Gefühl zurück. Die Konsequenzen des Erlebten waren klar. Ab sofort war der Lehrer meines Lehrers auch mein Lehrer.

Initiation

In Baba's Organisation gab es zwei Möglichkeiten, entweder mit Familie oder als zölibatäre/r Nonne/Mönch. Familie kam für mich nicht in Frage. Ein Jahr Trainingszentrum in den Philippinen (Davao), dann etwa zwei Jahre Probezeit, dann Aufnahme in den Orden, um es in christlicher Terminologie auszudrücken, mit jeweiliger Initationsstufe.

Zu Beginn der Probezeit gab es eine Begegnung mit Baba. Ich hatte im Kopf einen angelesenen Spruch in bengalischer Sprache, den ich Baba bei dieser Gelegenheit gerne gesagt hätte weil ich ihn meinte. Niemand wusste davon. Im Verlauf der Zeremonie sagte Baba zu seinem Assistenten, er sprach zu fast allen indirekt durch seinen jeweiligen Assistenten: Dieser Junge hat etwas auf dem Herzen, das er mir sagen möchte. Bitte frage ihn doch danach. Und so wurde mein Herzenswunsch erfüllt und ich durfte sagen: Ami amar Gurure, yini nitya, yini satya, yini saratsara. (Ich liebe meinen Lehrer, er ist ewig, er ist wahr, er ist die Essenz aller Essenzen).

Baba's Channel

Zu meiner Arbeit innerhalb der Organisation gehörte es auch, wöchentlichen Gottesdienste in den mir zugewiesenen Gemeinden zu betreuen. Nach gemeinsamem Singen und Meditation gehörte dazu ein inspirierender Vortrag meinerseits, oder falls anwesend einer/s dienstälteren Mönchs/Nonne. Am liebesten hörten die Gemeinden Geschichten über Baba weil die meisten von ihnen ihm (noch) nicht begegnet waren. Sie wollten ihm näher kommen und wir, die wir Baba in Person begegnet waren, sollten ihn der Gemeinde näher bringen. Dabei hatte der/die Vortragende freie Hand.

Auf dem Hintergrund des von mir Erlebten war es für mich Tatsache dass Baba durch mich wirken kann. Und so versuchte ich insbesondere bei solchen Gelegenheiten Baba in mir so viel Raum zu geben wie ich konnte. Die Erwartungen der Gemeinde halfen dabei. Ich kann es nur mit einem sinngemäßen neutestamentlichem Zitat beschreiben: Wo zwei oder mehr in meinem Namen zusammenkommen, da bin auch ich. In dieser Ko-Produktion dem Göttlichen Entfaltungraum in den Alltag zu geben, bei diesem Unterfangen spielte die Tagesform der Beteiligten eine große Rolle. Und die, einschließlich meiner eigenen, habe ich angestrebt zu erhellen indem ich Baba in mir den jeweil größtmöglichen Raum gab.

Besonders helle Tage

Meine Lieblingsgemeinde war in Penang (Malaysia). Wir sangen besonders gut zusammen, und an unseren Glanztagen kamen die Vögel, verschiedener Arten. Sie setzten sich durcheinander auf und in die das Grundstück umgebende Hecke und sangen mit. Das wurde unüberhörbar, weil die Vögel noch eine ganze Weile weiter sangen wenn wir schon aufgehört hatten. Es geschah nicht jedesmal, aber wenn sie kamen waren es besonders helle Tage und das Göttliche hatte viel Raum bekommen.

Zu manchen Anlässen wurde viele Stunden gesungen, kombiniert mit einem im Kreis um den Altar ablaufenden Schreittanz. In diesem Fall war es auf Bali, Indoniesien, und würde einen ganzen Tag plus Nacht dauern. Im umgebenden Feuchtgebiet waren viele verschiedene Frösche zuhause, und sie quakten den ganzen Tag lang. Wir waren bereits mehrere Stunden zugange, die Teilnehmer konnten gehen und kommen wie sie wollten. Eine Rumpftruppe hatte sich halb in Trance gesungen und ganz allmählich begannen Frösche sich einzustimmen. Sie quakten nicht mehr wann sie wollten sondern passten sich rhythmisch in unsere Gesang ein, erst ein paar, dann immer mehr. Es gab große Frösche mit tiefen Stimmen und kleine mit hellen und welche dazwischen. Und wenn wir die Melodie wechselten, brauchten sie ein bisschen Zeit um auf die neue Vorlage einzugehen. Aber sie taten es, immer wieder, und unser gemeinsamer Klangteppich wurde immer schöner. Es war ein sehr heller Tag.

Bruderschaft

Mit jeder Bruderschaften geht immer ein Elite-Selbstbild einher. Im direktem Wiederspruch zum Wort "Bruder" sind Bruder- und auch Schwestenschaften strikt hierachisch organisiert: Keine Logik, kein Argumentieren, sondern strikte Befolgung der Befehle. Die Befehlskette wird von Dienstgrad und/oder Dienstalter bestimmt, wie beim Militär. Tatsächlich ist eine Bruderschaft militätischer als das Militär, eher vergleichbar mit einer professionellen Söldnertruppe. Alles sind freiwillig dabei, aus unterschiedlichen Gründen. Doch im Gegensatz zu Söldnern spielt Geld eine untergeordnete Rolle. Der "Lohn" ist immateriell, die Zugehörigkeit zur den Auserwählten der Bruderschaft, einer bis in den Tod verschworenen Gemeinschaft in die ich mich einordnen will. Das macht so eine Bruderschaft ungleich schlagkräftiger als eine Söldnertruppe. Janitscharen, Berserker, Assasinen, Ninja waren/sind bekannte Beispiel dafür. Berühmt/berüchtigt sind sie wegen ihrer Fähigkeit physische Gewalt auszuüben. Was sie dazu befähigt wird allerdings übersehen.

So verbrannten sich zum Beispiel ein Mönch und eine Nonne 1978 öffentlich in Berlin um gegen die Inhaftierung Babas in Indien zu protestieren (und noch etliche mehr in anderen Ländern). Wer die Bruder-/Schwesternschaft verließ, musste vorsichtig sein, bei Nacht und Nebel unangekündigt weglaufen. Ich selbst wurde bei meinem (unvorsichtigen) Abgang von meinen gerade-eben-noch-Brüdern verhört und festgesetzt. Während des Verhörs im Spießrutenlauf-Stil wurde ich mit einem Gegenstand beworfen, angespuckt und mit Gesten des Schlagens bedroht. Das war mehr mental als körperlich, Einschüchterungen im Grundgedanken der Folter: was Menschen zur Kooperation bewegt ist nicht der Schlag, sondern die Angst vor dem Schlag. Sobald der Schlag gefallen ist, hat der Folterer sein Pulver verschossen. Die jetzt nicht mehr mögliche Belohnung wäre ja gewesen nicht geschlagen zu werden. Wie dem auch sei, ich entkam während meine ex-Brüder im Nebenraum über die weiteren Maßnahmen berieten.

Eine andere Episode der Verschworenheit waren unsere geheimen Geldbeschaffungsmaßnahem. Wir schmuggelten Gold nach Indien, wo der Preis von der Regierung künstlich weit über dem Weltmarktniveau gehalten wurde. Dazu hatten wir ein Manufaktur aufgebaut in dem wir die Metallteile von (damals großen) Videokamera-Akus aus Gold nachbauten, so dass sie im Röntgenbild und auf der Waage nicht von echten Akus zu unterscheiden waren. Die Kamera selbst hatte eine versteckte Batterie, so dass sie auch mit einem goldbefüllten (etwa 500g) Aku für eine Weile funktionierte. Mit zehn socher Akus und einer präparierten Videokamera reisten wir dann in Indien ein, im maßgeschneiderten Anzug als Geschäftsmann verkleidet.

Ich war dann der Glückspilz den der Zoll erwischte. Das bescherte mir 15 Monate Bekanntschaft mit dem was Gandhi als die "größte britische Erziehungseinrichtung" bezeichnete. Sie war mittlerweile indisch geworden. Ich hatte mir immer einen längeren Aufenthalt in einer Himalyahöhle gewünscht. Jetzt was ich so dicht an meine Wunschvorstellung herangekommen wie nie zuvor und nie dananch. Als im Einsatz gefangenen Genommener wurde ich von meiner Bruderschaft bestens versorgt. Die Wärter mochten mich so gut das ein Wärter kann und darf, weil meine Zellengnossen und ich ihnne die üblichen Probleme ersparten. Keine Drogen, keine Schlägereien, angenehmer Umgang und freundliche Worte, ein winzige Yoga-Insel mitten in Tihar.

Ich hatte viel Zeit und konnte in aller Ruhe und Gründlichkeit Schriften wie die Yogasutras von Patanjali im Originaltext studieren. Ich musste mich weder ums Essen, noch Dach über dem Kopf oder sonstige Lebensnotwendigkeiten kümmern. Das taten andere für mich. Der Tagesablauf war vorgegeben und passte wie keine anderen bisher erlebten Umstände zu meiner Vorstellung von monastischer Lebensführung. Man ließ mich von allen Seiten in Ruhe. Abgesehen von den Gittern war es paradisisch, ein Geschenk des Himmels.

De-Initiation

Baba starb körperlich 1990. Einige tausend Menschen waren bei der Verbrennung seines Körpers anwesend, und sehr viele Vögel. Wir umgaben den aufgebahrten Leichnam kreisförmig. Die Vögel saßen am Rand des Kreises, aufgereiht auf den umgebenden Gebäuden, Mauern, Stromleitungen und Bäumen. Die Verbrennung dauerte bestimmt eine halbe Stunde. Gegen Ende erhoben sich alle Vögel zusammen, die ganzen verschiedenen Arten zusammen in einem großen Schwarm. Sie umflogen die Rauchsäule immer wieder wie ein langsam aufsteigender Wirbel, wobei sie murmelten wie gemeinsam Betende in einer Kirche.

Solange Baba da war hatte das von ihm dirigierte Wetteifern um seine Aufmerksamkeit sehr wohlwollende Auswirkungen auf alle. In seiner Abwesenheit wurde daraus schnell ein internes Gerangel um Macht und Einfluss. Ich versuchte mich so gut es ging da heraus zu halten. Trotzdem erlebte ich die Veränderung als Verschiebung von brüderlicher Zusammenarbeit hin zu einer hierarchischen Organisation in der die Brüderlichkeit schleichend dahinschwand. Meine Loyalität zu Baba widersprach zunehmend den sich ändernden Loyalitätsforderungen seitens der Organisation. Äußere Ereignisse konspierierten schließlich mit meinem heimlichen Wunsch nach Veränderung und katapultierten mich 1999 in einen neuen Lebensabschnitt von bisher ausgelassenenem Familienleben.

Es dauerte etwa 4 Jahre bis ich mir eingestand dass ich die in den verschiedene Initationriten gemachte Verprechen nicht mehr einhalten will. Einhalten können war schon immer nur teilweise möglich gewesen (ein Überforderungs-Trick aller religiösen Gemeinschaften), aber ich hatte es immer angestrebt. Obwohl äußerlich nicht mehr Teil der (entgleisten) Bruderschaft, würde ich mich innerlich lossagen, und mit einem eigenen Ritual die mit der Initiation verknüpften Versprechen (Gelöbnisse) widerrufen. Es ging mir nicht um eine Auflösung der Verbindung zu Baba, sondern um Auflösung meiner Verbindung zur Organisation die sich von Baba immer weiter entfernte. Bedingungslose Liebe und Gelöbnisse/Versprechen sind immer ein Widerspruch, denn Gelöbnisse/Versprechen sind Bedingungen.

Einer der Besonderheiten von Baba ist, dass dieser und andere Widersprüche zu seinen Lebzeiten keine Rolle spielten. Sie verblassten hinter seiner Integrität zur Unkenntlichkeit. Es ging nicht darum Regeln unter allen Umständen einzuhalten, sondern es in dem Maße zu tun wie es in einer bestimmten Situation für alle Beteiligten am wohlwollendsten ist. Er konnte das absehen, nutzte den Regelrahmen in der Kommunikation um uns darauf hinzuweisen, wenn etwas nicht stimmte. Regeln kamen nur dann zum tragen, wenn der grüne Bereich, das Wohl aller, verlassen wurde.

In seiner physischen Abwesenheit verkommt der Regelrahmen zum in Stein gemeißelten Gesetz. Die Grundlage der Deutungshoheit diese ehemals flexiblen und nun erstarrten Regelrahmens verschiebt sich von bedingungloser Liebe zu buchstabengetreuer Einhaltung. Die Organisation erstarrt dadurch schrittchenweise in eine Religion, so wie es allen spirituellen Organisationen ergeht wenn die Gründerseele oder die Reformatorseele sich auf die andere Seite zurückzieht.

Jetz bekam ich die gleichen Probleme mit meiner Bruderschaft, wie ich sie schon mal mit der christlichen Kirche hatte. Ich strebte die gleiche Lösung an - friedlich verlassen. Nachdem ich das getan hatte, erschien mir Baba im Traum. Er sah mich kurz an, drehte sich dann zu Seite und ging weg ohne mich bestärken, ohne mich zu tadeln. Danke Baba.

Schätze finden ohne Brechstange

Im bisherigen Leben, in etwas bis zum Jahre 2000, hatte ich sozusagen professionelle Schatzsuche betrieben, zunächst wie ein Abenteurer im Indiana Jones Stil, dann als Akolyt und späterer Initiant. Jetzt was ich eher nebenberuflich schatzsuchend unterwegs, ging suchenden Auges durchs ganz normale Leben. Ich hoffte auf "zufällige" Funde am Wegesrand, anstatt wie bisher mit aller Macht, koste es was es wolle und notfalls mit Gewalt (Brechstange) Schätze zu jagen. Vielleicht etwas überraschend wurden die so erlangten Karotten oder Brotkrumen nicht weniger, aber anders. Es sind Geschenke des Himmels, kosmische Pralinen.

Obwohl der Flug nach Deutschland nur 8 Stunden gedauert hat, brauchte ich nach 14 Jahren außereuropäisches Ausland noch viele Monate um hier wieder anzukommen. Ich hatte die deutsche Sprache und Deutsprachige eher gemieden. In der S-Bahn von Frankfurt Flughafen zum Hauptbahnhof kam ich mir erstmal vor wie in der Geisterbahn. Na ja, die Zeit heilt alle Allüren wenn man sie denn lässt. Ich machte Bekanntschaft mit meinen Schattenseiten, und das war extrem heilsam.


neue Schätze